Kleine Schmunzel-Geschichte von © Vera Maria Lafrenz
Es war einmal – so beginnen alle Märchen und netten Geschichten – ein hübsches schwarzes Friesenpferd, welches seit mehreren Jahren schon in einem Mietstall stand und seine braven Reitdienste verrichtete mit allen mehr oder weniger begabten Reitern.
Ferdinand nicht allzu groß, für einen Friesen etwas ungewöhnlich, aber er war stark, mit kräftiger Brust und einem beeindruckenden Hals. Seine Mähne war lang, dicht, ein wenig gewellt und hing schmückend über seinen klugen Kopf und hengstigen Hals, obwohl er Wallach war, und sein Schweif eine einzige weitläufige Wolke.
Er war eigentlich ein stolzes hübsches Pferd, nur wollte es niemand sehen und zur Kenntnis nehmen, keiner ihn als wirklichen Kameraden für immer ins Herz schließen, Ferdinand war traurig.
Seine Hufe waren nicht beschlagen und von gesundem Horn, er war trittfest und hatte seinem Mietsherrn kaum Kummer bereitet, auch war er nie ernstlich krank gewesen.
Ferdinand war immer geduldig, gutmütig und hatte seinen sogenannten Reitern, die eigentlich wenig Ahnung hatten vom Reiten und Behandlung eines Pferdes, meist ihren Willen gelassen und sich untergeordnet.
Wie gerne hätte er mal sein Temperament gezeigt, gebuckelt, losgaloppiert und alle unerfreulichen Eindrücke aus dem Stall wie auch all die untalentierten Reiter hinter sich gelassen. Mal ein wenig Freiheit … ein wenig Freude im tristen Pferdeleben …
Aber er musste mitarbeiten, seinem Herrn die Einkünfte für den Stall wie auch für seine Pferdekollegen sichern, die genauso unglücklich waren wie er selbst.
So vergingen viele freudlose graue Tage für Ferdinand und seine Pferde-Freunde.
Eines Tages an einem trüben Herbstmorgen, früh an diesem Tag, betraten mehrere aufgeregte Herren den Stall , die lautstark diskutierten und Zettel mit Nummern und Namen an den einzelnen Boxen befestigten. Was sollte dies bedeuten?
Ferdinand und seine Kollegen waren sehr aufgeregt und ein unsicheres leises Wiehern wehte durch Stallgasse und Sattelkammer. Was war passiert?
Die Pferdegeschirre, Trensen, Sättel und alles weitere Reiterzubehör, welches dem Mietstallbesitzer gehörte, wurde gesichtet, eingepackt und weggetragen.
Eine traurige erdrückende Stimmung hing über dem Stallgebäude …
Dann kam Stallbursche Fritz, der immer für Hafer, Heu, Stroh und Pellets für Ferdinand und all die anderen Pferde sorgte, aufgeregt in den Stall gelaufen.
Das Wiehern wurde lauter, denn alle Pferdchen dachten, jetzt gäbe es ein wenig Heu, Stroh oder ein paar Mohrrüben zwischendurch als Leckerei.
Doch nein, Ferdinand wurde aus seiner Box geholt, ein altes Halfter über seinen schönen Charakterkopf gestülpt und dann auf den Hof geführt.
Dort stand ein alter Pferdetransporter und es blieb dem hübschen schwarzen Friesenpferdchen nichts anderes übrig, als sich verladen zu lassen.
Warum musste Ferdinand seine gewohnte Umgebung verlassen, er wusste es nicht und wieherte ganz laut und ängstlich den Zurückgebliebenen zu. Doch der Transporter hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und die Reise ins Ungewisse begann.
Nach einer längeren, unruhigen, rumpeligen Fahrt kam Ferdinand bei einem halb verfallenen Stall an, der nur zwei magere und armselig aussehende Pferdedamen beherbergte. Nun war er – der brave Friese – von einem alten heruntergekommenen Pferdehändler gekauft worden, weil sein gewesener Herr sein Anwesen aus Geldmangel verkaufen musste und so auch Ferdinand.
Wurde all seine Gutmütigkeit und Treue zu seinem Herrn nun so belohnt, dass er verstoßen wurde und kein Reiter und schon gar kein Freund ihm geblieben war?
Ferdinand wollte seinen wenigen Hafer kaum fressen und stand mit hängendem Kopf trostlos in einer Ecke des halb verfallenen Stalls. Seine schwarzen klugen Augen hatten den Glanz der Neugierde und Freude zur Arbeit verloren und er döste nur noch trostlos vor sich hin.
Die Pferdedamen hatten bereits alle Hoffnung auf einen neuen verständnisvollen Reiter aufgegeben und jammerten nur noch leise wiehernd vor sich hin und scharrten von Zeit zu Zeit aus Langeweile im spärlich gestreuten Stroh.
So vergingen langsam die trüben trostlosen Tage, nur morgens vor dem Frühstück durfte Ferdinand in der angrenzenden kleinen Reithalle laufen und sich ein wenig wälzen, damit er – so wie der alte Pferdehändler immer betonte –„ der schwarze Friese nicht krank wird und Kolik bekommt, bevor ich ihn verkauft habe.“
Dies war der einzige Lichtblick des Tages, ein wenig laufen, ein wenig wälzen, ein paar Mal die Hinterhand in die Gegend werfen, das tat der Pferdeseele gut.
Eines späten Vormittags, es war knapp vor dem Mittagsfüttern, kam Bewegung in den trostlosen zugigen Stall. Ein Vater mit seiner halbwüchsigen Tochter war gekommen und besichtigte mit kritischem Auge die Pferdedamen und dann auch Ferdinand.
Der schwarze Friese merkte sofort, dies wäre seine große Chance, wieder an Bewegung, Training, Streicheleinheiten und Freundschaft zu kommen, die Kleine sah nach einer guten Reiterin aus. Wie schön wäre es, wenn sie an ihm Gefallen finden würde.
Ferdinand zeigte sich von seiner besten Seite, soweit dies möglich war, nachdem er schon mehrere Tage nicht mehr gestriegelt worden war. Er schüttelte sich, um wenigstens ein wenig Staub aus seinem Fell zu werfen und blies ganz leise und zärtlich heiße Luft in die kleine Hand, die liebevoll über seine Nüstern strich.
Als Ferdinand dann auch noch zwei Stücke Zucker bekam und die Tochter an Vater´s Rockzipfel hing und immer wieder nur zu dem schwarzen Pferd namens Ferdinand wollte, war ihm – dem Schwarzen – klar, er hatte neue Freunde gefunden. Sein Pferdeherz wollte zerspringen vor Aufregung und Glück …
Die kleine Reiterin – Melli war ihr Name – liebte das schwarze Pferd vom ersten Augenblick an. Auch Ferdinand würde ab diesem Moment alles für Melli tun, denn sein Instinkt hatte ihn noch nie getäuscht, dies war seine geliebte neue Freundin, Kameradin und Reiterin. Er konnte sein neues Glück kaum fassen …
Melli und ihr Vater hatten sofort einen Pferdehänger zur Hand, um Ferdinand nach Hause zu holen.
Der schlimme graue Alltag war nun zu Ende, eine wunderschöne arbeitsreiche neue Zeit sollte beginnen, dies war Ferdinand urplötzlich klar geworden.
Der neue Stall, sein jetziges Zuhause war für Ferdinand das Paradies. Ein kleiner Bauernhof mit einer anschließenden großen saftigen Weide und als Kameraden hatte er auch noch zwei reizende Pony-Damen, die ihn immer neckten, vor seiner Schnauze rumbuckelten und ihn in die Hinterhand knapsen wollten.
Melli war eine außerordentlich feinfühlige Reiterin und mit Ferdinand ein Herz und eine Seele, denn er liebte Melli und tat alles für sie, egal welches Reiterkunststück sie von ihm verlangte.
So legte er sich hin auf Befehl, blieb liegen, solange, bis Melli ihn aufforderte, wieder aufzustehen. Er passagierte und piaffierte, diese Lektionen hatte noch niemand von ihm verlangt, aber Melli hatte sie ihm nach kurzem Einführungstraining beigebracht und seine Galoppwechsel in Zweier- und Einertakt waren nach kurzer Übungszeit sehr elegant und taktrein.
Als er dann auch noch im Mittel- und starkem Trab brillierte, fasste Vater den Entschluss, Melli und Ferdinand auf Dressur-Turniere zu schicken. Das nächste war in zwei Wochen und da mussten beide noch viel trainieren.
Vater verstand viel von der Reiterei und zeigte Melli und Ferdinand einige Tricks, um besser zu sein, als all die anderen Reiter mit ihren Pferde und Ponys auf den ländlichen Turnieren.
Melli und Ferdinand wurden unzertrennlich. Niemals wäre Melli böse mit Sporen oder Peitsche umgegangen, um dem Schwarzen weh zu tun oder etwas zu erzwingen. So war Ferdinand´s Fleiß und Eifer zu lernen, um Melli zu gefallen, riesengroß.
Die Harmonie, die zwischen den beiden herrschte, war von den Turnierrichtern eindeutig zu erkennen, nicht mehr zu übersehen und so eilten Melli und Ferdinand bald von Sieg zu Sieg.
Melli wurde eine berühmte Dressurreiterin und Ferdinand, als er älter, ein wenig müde und ein bisschen krank wurde, von ihr verwöhnt, gepflegt und liebevoll versorgt bis an sein seliges Ende.
Nie wird Melli ihren geliebten Ferdinand vergessen, er war es, der sie zum großen Sport geführt hatte durch seine liebevolle Gutmütigkeit, Treue und Intelligenz.
Und egal, welches Pferd sie später im großen Sport einsetzte, es musste immer ein schwarzes Pferd – ein Rappe – sein.
© 2008 Vera Maria Lafrenz
Alle Rechte liegen bei der Autorin.